| Orgelbaumeister Dr. h. c. Jürgen Ahrend geboren am 28. April 1930 in  Göttingen - ist am 1. August 2024 in Leer gestorben.
 
 
  Er war für mich der wichtigste Leuchtturm des späten 20. Jahrhunderts, denn  Jürgen Ahrend war es, der die historisierenden Bestrebungen der  Orgelbewegung  zu einer Reanimation kompromissloser künstlerischer  Gestaltung hin lenkte, damit weg von einem aus heutiger Sicht fehlgeleiteten  neobarocken Klangideal. 
 Mit Gerhard Brunzema - geboren 1927, verstorben 1992 -  verließ er vor 70  Jahren die Werkstatt von Paul Ott in Göttingen; beide gründeten um 1954 die  zunächst gemeinsame Werkstatt in Leer, sicher auch, weil Gerhard Brunzema von  hier stammte.
 
 Nach den Anfangsjahren entstanden die heutigen Gebäude am Mühlenweg in Loga;  deren Besuch war durch seine Anwesenheit stets inspirierend, denn für Jürgen  Ahrend war die ideologisch unvoreingenommene Wahrnehmung des Klanges die  wichtigste Richtschnur seiner handwerklichen Tätigkeit. So konnte er  unverwechselbare orgelbauliche Kunstwerke hervorbringen.
 
 Eine der wichtigen Voraussetzung seiner  Arbeit war es, die Skalierung der  Frequenzen zu analysieren und damit eine wissenschaftliche Grundlage für die  Ästhetik seiner Neubauten, Renovierungen und Restaurierungen zu legen.
 
 Seine hängenden Trakturen ermöglichten eine zuvor nie dagewesene Sensibilität  von Anschlag, Artikulation und Phrasierung, die uns Organist:innen eine völlig  neue Spielkultur eröffnete.
 
 Und nicht zuletzt hat er uns durch die Wiedereinführung und Weiterentwicklung  der Mitteltönigen Temperierung gelehrt, die Musik der Renaissance bis zum  Hochbarock in ganz neuen Farbwelten zu hören. Dieser neue Weg begann schon mit  der Restaurierung der kleinen Orgel von Jost Sieburg in Westerhusen in der  ostfriesisischen Krummörn.
 
 Gerhard Brunzema wanderte 1972 nach Kanada aus. Jürgen Ahrend jedoch ging in  Leer-Loga den begonnenen Weg konsequent weiter, nun als ein Monolith, umgeben  von  Mitarbeitenden, die er sorgfältig anleitete. Er diente der  Orgelbaukunst unbeirrt weiter durch wegweisende Restaurierungen und Neubauten  an Orten wie Stade, Innsbruck, Groningen, Melbourne, Lüdingworth, Norden,  Hamburg, Trondheim, Osteel, Dornum, Kongsberg, Leer, Altenbruch, Tokio,  Calgary, Venedig, Brixen, Heidelberg, Tübingen, Regensburg und hinterließ so beeindruckende  Beispiele seines immer noch so lebendigen Lebenswerks. Sein Orgelbaustil  zeichnet sich neben wegweisenden ästhetischen und künstlerischen Werten wie  auch seiner Intonationskunst ganz grundlegend durch Dauerhaftigkeit,  Wartungsfreiheit und Stimmungsstabilität aus.
 
 Seit 2005 wird die Werkstatt von seinem Sohn Hendrik Ahrend geleitet. Der Vater  hat sich trotzdem nicht ausgeruht, sondern bis zuletzt weiter Erreichtes  hinterfragt und somit weitere Verbesserungen hervorgebracht, dabei auch nach  vergessenen Traditionen gesucht und von ihnen gelernt. Mit dieser Leidenschaft  fand er noch 2019 im hohen Alter durch Erkenntnisse aus der Analyse des  altitalienischen Orgelbaus Antworten auf seine unablässsige Frage, welches Holz  für den schädlichen Holzwurm weniger anfällig ist.
 
 Düsseldorf, 19. September 2024
 Torsten  Laux
 
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