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Die Orgeln der Chiesa dei Santi Gervasio e Protasio in Gorgonzola (Italien)

Geschichte der Orgeln in der Propsteikirche in Gorgonzola
Die Hauptorgel
Die Dispositon der Hauptorgel
Die kleine Orgel
Die Disposition der kleinen Orgel
Geschichte der Orgeln in der Propsteikirche in Gorgonzola

Die Propsteikirche SS. MM. Protaso Gervasio in Gorgonzola (20 km von Mailand entfernt) ist eine der wichtigsten Kirchen der ambrosianischen Erdiözese. Seine Gründung geht zurück auf das 10. Jahrhundert, als es als Hauptkirche von Pieve di Gorgonzola im selben Bezirk gennant wurde.

Zu Beginn des siebzehnten Jahrhunderts waren Orgeln in den wichtigsten Kirchen der Diözese von Mailand eine Rarität. Der Bischofs San Carlo Borromeo hatte im Hinblick auf die strukturellen und kirchlichen Gebäuden verschiedenste Änderungen vorgenommen, entsprechenden dem Diktat des Konzil von Trient.

Schließlich wurde auch der Bau einer Orgel bestimmt. Die erste Orgel für die Propsteikirche in Gorgonzola wurde zwischen 1602 und 1605 gebaut und wurde rechts vom Hauptaltar platziert. Es gibt keine Dokumentation über diese Orgel, aber man kann vermuten, dass es ein typisches Instrument des Nord-Italien des 17. Jahrhunderts war. Sehr wahrscheinlich mit einem Manual von 45 Tasten, Pedal mit 17 oder 18 Tönen, einem Prinzipalchor (Ripieno) auf 8' Basis und einigen “Flauti” in VIII und/oder XII ( Flöten 4' und 2.2/3').

Die erste Erwähnung des Namens eines Organisten ist aus dem Jahre 1688: es war Vincenzo Antonio Pyssina, ein Priester, der mit einer Steuer auf die Bevölkerung des Dorfes Gorgonzola bezahlt wurde.

Im Jahre 1766 kontrollierte der Orgelbauer Rocco Longone Binago aus Mailand, ehemaliger Mitarbeiter von Orgelbauer Bossi, das Instrument und führte einige Reparaturen durch. In den späten 60er Jahre und den frühen 70er Jahre beauftragte Herzog Serbelloni den Bau einer neuen Orgel für die Kirche von Gorgonzola bei dem Orgelbauer Antonio Fontana aus Mailand.
Das Instruments wurde so berühmt, dass es auch von Bergamos berühmtesten Orgelbauer Giuseppe I. Serassi in seinem Werk "Lettere sugli organi" von 1816 Erwähnung fand.
Die Orgel war ganz enharmonisch, das bedeutet Manuale mit doppelten Tasten. Also jede Okave hatte 24 Tasten und nicht 12, wie man es gewohnt ist. Zum Beispiel ein Fis war wirklich ein Fis mit einer eigenen Taste und Ges war wirklich ein Ges mit einer eigenen Taste.

Im Jahre 1806 begannen die Arbeiten an dem Bau der heutigen Kirche und gleichzeitig wurde der Abriss der alten Kirche angefangen. Im Jahr 1820 wurde die neue Kirche geweiht und für den Gottesdienst geöffnet und die neue Orgel wurde im Jahr 1822 fertg gestellt.
Ursprünglich war eine Vergrösserung und Restaurirung der Fontana Orgel geplant, vermutlich waren jedoch die Kosten zu hoch und so wurde eine neue Orgel geplant und in Auftrag gegeben..

Die neue Orgel wurde von Antonio Brunelli ( 17?? -1842 ) aus Mailand, statt des berühmten Orgelbauer Serassi aus Bergamo, gbaut.
Dieses Instrument machte sofort Probleme, was eine Praesenz des Orgelbauer bis zu drei Mal pro Jahr notwendig machte. Erster Organist des neuen Instrumentes war der Musiker und Musikwissenschaftler Giovanni Bianchi ( 1758 -1829 ) aus Gorgonzola, der sein musikalisches Wissen auch in Paris vertiefte. Er hat es bei vielen Lehreren perfektioniert und wurde für das frühe 19. Jahrhundert als der größte Virtuose dieses Instrumentes bekannt.

Sein Sohn Giuseppe (†1849) und nach ihm Ernesto Deponti waren die nächsten Organisten bis 1889. Die Orgel wurde mehrmals und von verschiedenen Orgelbauern aus Mailand gepflegt. Es waren Giuseppe Valli, Ferdinando und Ernesto Carcano, Romano und Giovanni Brunelli, Sohn von Antonio Brunelli.

Aufgrund des veränderten Musikgeschmacks wurde die Orgel im Jahre 1868 von dem berühmten Orgelbauer Natale Balbiani aus Mailand restauriert und erweitert. Diese Vergrösserung war sicherlich eine Notwendigkeit um bereichernde Register für die neue Musik zu haben, denn das Instrument war bis dahin mit dem alten klassischen Stil des 18. Jahrhunderts verbunden

Es war wohl wieder ein Wechsel des Musikgeschmacks, der verantwortlich für den Abriss des Instrumentes im Jahre 1908 und die Neubauplanungen war. Im Jahr 1903 gab Papst Pius X. ein “Motu proprio” (apostolisches Schreiben) zur Kirchenmusik heraus, welches eine Rückkehr zu dem strengen Stil forderte, weil zu oft Opermusik mit Orgelübertragungen oder im Opernstil komponierte Orgelwerke im Gottesdienst ausgeführt worden waren.

Der Propst der Kirche, Don Pietro Bonacossa, beauftragte den Orgelbauer Giovanni Bressani aus Mailand die alte Orgel zu zerlegen und ein neues Werk nach dem Diktat der “Cecilianische Reform” mit pneumatischer Traktur zu bauen. Zum April 1908 entstand so ein Instrument mit mechanischer Traktur, welches noch heute besteht. Das Instrument steht an der linken Seite der Bressani Orgel und wurde mit einem Konzert im September 1910 eingeweiht. Wechselnd war die Organistenstelle von dem Organist des Mailänder Dom und Ernesto Cavenaghi (1877 – 1963) besetzt.

Die kleine Orgel wurde bis 1948 für Musik für zwei Orgeln gebraucht, seitdem schweigt sie. Heute fehlt bei der kleinen Orgel der Motor, beide Instrumente sind aufgrund schlechter Bedingungen und mangelnder Pflege unspielbar geworden. Die Hauptorgel hatte schon am Anfang schwere Probleme bei der pneumatischen Transmission und den Bälgen und war im Lauf der Jahrzehnte drei Mal restauriert worden. Seit 1963 war sie nur noch bedingt spielbar, 1985 erklang sie zum letzten Mal.
Mehre Orgelbauer haben die Restaurierung mit alter pneumatischer Traktur als sinnlos beschrieben, obwohl die Orgel wegen der Denkmalschutz-Auflagen nur so restauriert werden kann.

Matteo Marni (Direktor der Kirchenmusik)

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Die Hauptorgel

Das Instrument steht rechts vom Hauptaltar ohne Gehäuse
Die Ausstattung besteht aus 43 Prinzipalpfeifen und oberhalb der Pfeifen stehen Abbildungen von zwei Engelmusikern und Musikinstrumenten.

Die Orgel ist sicher von Giovanni Bressani aus Mailand im Jahre 1910 (die Urheberschaft ist durch eine Platte, die fest aus Bakelit auf dem Spieltisch angebracht ist, bestätigt) mit Materialien, die vielleicht von der alten Orgel von Balbiani und Aletti stammen, gebaut.

Der Spieltisch ist in der Basis des Instruments eingebaut. Die zwei Klaviaturen haben 61 Tasten, das Pedal ist verschwunden. Insgesamt hat die Orgel 33 Register. Die Windladen der großen Orgel sind im Inneren der Orgel und das “organo espressivo” (Schwellwerk) in einem Nebenraum platziert.
Die Orgel hatte schon am Anfang ein Motor.

Es gibt eine Freie Kombination, Feste Kombinationen, Super- und Suboktav-Koppeln, Fußtritte. Das “ripieno” ist nur mit Fußtritt einzuschalten. Zudem gibt es Hebel für Crescendo und Schwellwerk

Die Disposition der Hauptorgel

GRAND’ORGANO ESPRESSIVO PEDALE
Principale 16’ Principale I 8’ Contrabbasso 16’
Principale 8’ Principale II 8’ Subbasso 16
Diapason 8’ Bordone 8’ Violone 16’
Ottava 4’ Violone 8’ Basso 8’
Bordone 8’ Principale 4’ Violoncello 8’
Tromba 8’ Eolina 4’ Panfonio 4’
Cromorne 8’ Flauto 4’
Violadagamba Decima
Salicionale 8' Oboe 8’
Dulciana 4' Sachoff 8’
Bordone 8' Concerto violini
Flauto 4'
Unda Maris
Piccolo 2
Cornetta 4 file, XV

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Die kleine Orgel

Das Instrument steht in "Cornu Evangelien", links vom Hauptaltar. Es sind 25 Prospektpfeifen sichtbar, die Pfeifenmünder sind nicht gleich hoch.
Die Orgel wurde von Giovanni Bressani aus Mailand im Jahr 1908 gebaut. Die Pfeife C der Oboe ist mit einem Schriftzug “Giovanni Bressani – Milano/Do1 Oboe” versehen.

Die Orgel besitzt eine mechanische Traktur. Das Manual hat 56 Tasten, das Pedal ( ein bisschen gebogen) hat 27 Töne. Die Registerzüge sind oberhalb der Tastatur. Es gibt 5 Fußtritte: piano, mezzoforte, forte, pieno, oboe.

Die Hauptwindlade ist eine Springladen und nicht neu gebaut. Nach der Meinung einger Orgelbauer sind noch echte Pfeifen aus 18. Jahrhundert vorhanden. Eine Besoderheit dieser Orgel ist das Register “Fassada”. Das Register besteht nur aus Prospektpfeifen des “Principale” 8' ( Prinzipal 8' ). Man kann vermuten,dass der Orgelbauer etwas Ähnliches wie den Effekt eines Schwellwerks erreichen wollte (wie in seiner Zeit üblich war).

Die Balganlage besteht aus zwei Pumpen bewegt von einer Stange. Es gibt einen Faltenbalg und darüber einen Keilbalg.

Matteo Marni (Direktor der Kirchenmusik)

Detail-Aufnahmen von der kleinen Orgel

Die Disposition der kleinen Orgel

Subbasso 16’
Basso 8’
Principale 8’
Fassata
Ottava 4’
XV
Pieno
Flauto 4’
Viola
Unda Maris
Voce Corale combinata
Oboe 8’
Tremolo


Mit freundlicher Genehmigung von Matteo Marni, Direktor der Kirchenmusik der Propsteikirche SS. MM. Protaso e Gervaso in Gorgonzola (Italien)
und freundlicher Unterstützung von Paolo Springhetti
Übersetzung: Paolo Springhetti und Anita Knögl
Fotos: Matteo Marni
OI-G-48