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Die Stumm-Orgel in der Abteikirche zu Sayn

Um 1200 wurde auf Veranlassung des Grafen Heinrich II. von Sayn und seiner drei Brüder das Kloster in Sayn als Tochterkloster der Prämonstratenserabtei Steinfeld (Eifel) gegründet. 1202 wurde die Abteikirche durch den päpstlichen Legaten, Kardinal Guido von Praenste, zu Ehren der hl. Maria geweiht.

Genaueres zur Orgelgeschichte der Sayner Abtei erfahren wir erst aus Dokumenten Anfang des 18. Jahrhunderts. Wir wissen, dass die heute in der Abteikirche Sayn befindliche Stumm-Orgel nicht die erste Orgel war, die in der Abteikirche errichtet wurde. Aufgrund der schwierigen finanziellen Verhältnisse seit dem 16. Jahrhundert wurde vermutlich erst Ende des 17. Jahrhunderts eine Orgel aufgestellt.
Nachweislich wurde 1703 eine Orgel von Orgelmacher Rissen aus Koblenz gebaut, die 1714 von Meister Godfried Drescher erweitert wurde. 1732 wurden von Orgelbauer Bartholomäus Boos aus Koblenz umfangreiche Arbeiten ausgeführt, die mit hohen Kosten verbunden waren. Offensichtlich waren die Chorherren mit dem Instrument nicht zufrieden.

Unter Abt Isfried Ohm nahm man Kontakt zu den Gebrüdern Philipp und Heinrich Stumm auf, die ihre Werkstätte in Sulzbach im Hunsrück hatten. Sicherlich spielte dabei eine Rolle, dass für die Sayner Nachbarabtei Rommersdorf etwa 30 Jahre zuvor eine große dreimanualige Orgel von Johann Michael Stumm gebaut worden war und dass in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts der Ruf der Gebrüder Stumm als ausgezeichnete Orgelbauer einen Höhepunkt erreichte.
Am 28. März 1773 wurde „zwischen dem hochwürdigen H. Praelat zu Sayn und den beyden brüdern H. Philipp und Henrich Stum-men ein accord betreffend eine neue Orgel geschlossen.“ Das Gehäuse sollte „von gutem Eichen holz, mit den gehörigen Zierrathen verfertiget, und mit folgenden Spezificirten registren, mit drey Bälgen, die beyde clavier mit schwartz Eben holz biß ins hohe D, das Pedal von 15 Thön versehen werden.“ Die Orgel wurde als seitenspielige Brüstungsorgel mit 25 Registern konzipiert. Ein Jahr später als geplant wurde das Werk „gegen Michely“, also Ende September 1778, mit dem Schiff bis Mülhofen, dann mit Wagen nach Sayn gebracht und auf der Westempore, die nach Plänen der Orgelbauer Stumm gebaut worden war, aufgestellt. Der Vorschlag der Orgelbauer, die Emporenbrüstung leicht geschwungen anzufertigen, „welches ungemein schön und auffalt“, wurde, wie spätere Zeichnungen zeigen, in die Tat umgesetzt.

Die folgende Disposition wurde von Johann Heinrich und Johann Philipp Stumm im Vertrag von 1773 mit dem Sayner Kloster festgelegt (Schreibweise und Nummerierung original).

Manual

Positiv

Pedal

1. Principal 8 fuß
von Zinn frankfort

1. Principal 4 fuß
von Zinn

1. Sub Bass 16 fuß
von Holz

2. Hohl Pfeiff 8 fuß
in Baß Holz in Discant materi

2. Pordong im Baß Holz 8 Fuß

2. Posaun Baß 16 fuß

3. Viol de Gambe 8 fuß

3. Rohrflaut 4 fuß
von materi

3. Octav Baß 8 fuß

4. Flaut 4 fuß

4. Octav 2 fuß


5. Quint 3 fuß

5. Flauta travers 8 fuß im Discant
von bieren baum Holtz

6. octav 4 fuß

6. Quint 3 fuß
von materi

7. Super octav 2 fuß
materi

7. Crom Horn 8 fuß

8. Tertz 1 3/5 fuß

8. vox humana 8 fuß

9. Cornet Vierfach

9. Tremulant

10. Mixtur Vierfach

10. Mixtur 3 fach

11. Trompet 8 fuß
von Zinn


Manual Coppel

Pedal Coppel


Nicht im Vertrag aufgeführt sind
Groß getact 16 fuß
Solicional 4 Fuß
Vermutlich wurden beide Register über "accord" geliefert.

In diesem Zustand blieb die Orgel auch nach Auflösung des Klosters (1803) bis Ende 1887 erhalten. Dann kam es zu grundlegenden Änderungen im Zusammenhang mit der Renovierung der Kirche, die vom preußischen Staat als Patronatsherr ausgeführt wurde. Um den Chorsängern Platz zu verschaffen, wurde die Orgelempore ca. 3,50 Meter nach vorne gezogen. Folglich stand nun die Brüstungsorgel mitten auf der Empore. Teile der alten barocken Emporenbrüstung wurden vor das Unterpositiv ge-stellt, um die Pfeifen vor den Besuchern zu schützen. Außerdem wurde auf Anraten des damaligen Gutachters P. Piel aus Boppard ein Draht vor die Pfeifen des Untergehäuses genagelt. Offensichtlich hatte man Angst, Pfeifen könnten entwendet werden.

Gravierender waren die Veränderungen, die entsprechend dem Zeitgeschmack erfolgten. Die Zungen des Positivs wurden entfernt, die dreifache Mixtur gegen eine Fernflöte 8' ersetzt. Auch die Gambe und die Trompete des Hauptwerks wurden erneuert. Auf die neu gebaute Pedal-Kegellade kamen neue Pfeifen. Typisch: die durchschlagende Tuba 16'. Ausgeführt wurden diese Arbeiten durch den Orgelbauer Bertram aus Engers.

Anfang des 20. Jahrhunderts verfiel die Orgel infolge mangelnder Pflege, aber auch aufgrund der gro-ßen Feuchtigkeit in der Kirche immer mehr. Zweimal wollte man das barocke Instrument, das man als wertlos betrachtete, durch eine neue Orgel ersetzen. Die beiden Weltkriege verhinderten dies, so dass die Orgel erhalten blieb bis auf 29 Prospektpfeifen im Hauptwerk, die für die Rüstungsindustrie im Ersten Weltkrieg abgegeben werden mussten.


Stumm-Orgel 1949

Endlich erfolgte 1954 eine Restaurierung durch Orgelbau Klais (Bonn) mit dem Ziel, die ursprüngliche Disposition wieder herzustellen. Den Manualumfang vergrößerte man bis g3, ohne die originalen Windladen zu verändern. Das Pedal wurde wieder mit einer Schleiflade versehen, allerdings bis f1 erweitert. Darüber hinaus vergrößerte man das Pedal auf Anraten des Orgelsachverständigen Dr. Bösken um vier Register auf sieben, in der irrigen Annahme, bei 22 Manualregistern habe Stumm sicherlich mehr als 3 Register im Pedal geliefert. Die Pfeifen wurden gekürzt, sodass die Stimmtonhöhe auf fast 440 Hz angehoben wurde, und die ehemals auf Ton geschnittenen Metallpfeifen mit Stimmrollen versehen.

Um dem Chor genügend Platz zu geben, baute man das Unterpositiv aus dem bisherigen Gehäuse aus und fügte es in die Brüstung als Rückpositiv ein. Das Hauptwerk wurde etwas zurück versetzt und aus optischen Gründen höher gestellt. Gleichzeitig veränderte man die gesamte Spielanlage, indem ein zentralmittiger, freistehender Spieltisch mit Blickrichtung zum Altar gebaut wurde.

War die Orgel anfangs in sehr gutem Zustand (einige Rundfunkaufnahmen belegen das), kam es An-fang der 70er Jahre infolge mangelhafter Pflege und aufgrund der sehr hohen Luftfeuchtigkeit in der Kirche zu erheblichen Störungen.


Stumm-Orgel Sayn, Zustand von 1954 bis 1996

Auf Initiative von Wolfgang Heinzen, seit 1978 Organist an der Stumm-Orgel in Sayn, wurde 1981 das erste Gutachten von dem Orgelsachverständigen des Landesamtes für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz, Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Riedel im Auftrag des Landes Rheinland-Pfalz erstellt, das als Pat-ronatsherr für die Gebäude des ehemaligen Klosters und auch für die Orgel zuständig ist.

Nach umfangreichen Sanierungsarbeiten in der Abteikirche (Tieferlegung des Bodens auf das ursprüngliche Niveau und Trockenlegung) wurde im November 1993 die Stumm-Orgel von Orgelbau Klais in die Werkstatt nach Bonn zur Restaurierung gebracht. Im Wesentlichen ging es darum, die ur-sprüngliche Situation von 1778 wiederherzustellen, d.h. die Orgel als Brüstungsorgel aufzustellen.


Stumm-Orgel Sayn seit 1997

Die Spielanlage wurde nach erhaltenen Vorbildern rekonstruiert. Originale Pfeifen gaben Hinweise auf die ursprüngliche Tonhöhe (415 Hz) und auf eine ungleichstufige Temperierung. Man entschied sich für eine Stimmung nach Valotti. Nicht den Stummschen Vorbildern entsprechende Pfeifen von 1954 wurden durch vorbildgerecht hergestellte Pfeifen ersetzt, z.B. die 29 Pfeifen des Principal 8’ im Prospekt des Hauptwerks, die Mixturen und sämtliche Zungen im Hauptwerk und Unterpositiv. Die Empore wurde mit den noch erhaltenen und entsprechend ergänzten Brüstungsteilen 1996 wieder zurückversetzt und so angefertigt, wie sie von der Werkstatt Stumm gebaut worden war. Die beiden getrennten Werke führte man wieder zusammen. Die solide gebaute Pedalwindlade von 1954 blieb erhalten, wobei der Pedalumfang heute zwei Oktaven umfasst. Die Pedal-Disposition und das Pfeifenwerk von 1954 veränderte man zum Teil, indem man sie den größeren Vorbildern der zweiten. Generation von Stumm anglich.

Im Februar 1997 wurden die Arbeiten abgeschlossen. Seitdem erfährt die Orgel in Fachkreisen eine sehr große Wertschätzung.
1998 erfolgte eine CD-Einspielung mit Prof. Ludger Lohmann mit Werken von Mendelssohn.
Namhafte Organisten aus aller Welt haben auf der Sayner Stumm-Orgel nach der letzten Restaurierung Konzerte gegeben, Rundfunkaufnahmen eingespielt und CD’s aufgenommen.

Seit dem Jahr 2001 finden regelmäßig Orgelkurse statt, wobei die von der Landesmusikakademie Rheinland-Pfalz in Neuwied-Engers ausgerichteten Kurse in Zusammenarbeit mit der Universität Mainz schon zur Tradition geworden sind.

Wolfgang Heinzen


Mit freundlicher Genehmigung von Wolfgang Heinzen
OI-B-106
weiterführende Links:

Webseite Stumm-Orgel Sayn