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Die Orgel der Kirche Goldbach (Thüringen)

Disposition
Aufruf zur Rettung der Hesse-Orgel in Goldbach

Disposition

erbaut Knauf/Hesse im Jahr 1816

Hauptwerk Oberwerk Pedal
Bordun 16' Gedackt 16' Subbaß 16'
Principal 8' Geigenprincipal 8' Violonbaß 16'
Gamba 8' Vacat - leere Schleife Octavbaß 8'
Bordun 8' Flauto travers 8' Cellobaß 8'
Vacat - leere Schleife Salicional 8'  
Octave 4' Lieblich Gedackt 8'  
Octave 2' Flauto dolce 4'  
Quinte 2 2/3' Gemshorn 4'  
Mixtur 3fach Quinte & Octave 2'  
Cornett 3fach    

ManualCoppel
PedalCoppel HW/P
PedalCoppel OW/P

Ventil - Kanaltramulant zum Oberwerk
Sperrventil OW; Sperrventil HW
Calcant

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Aufruf zur Rettung der Hesse-Orgel in Goldbach

Der Gemeindekirchenrat von Goldbach hat beschlossen, die Orgel samt Empore für eine moderne Gestaltung des Kirchenraumes in Kürze auszubauen. Es ist beabsichtigt, die Fenster des gotischen Chorraumes freizulegen, vor denen die Orgel zu Beginn des 19. Jhd. auf einer großzügigen Musikerempore errichtet wurde.
Die wertvolle Orgel soll zwar eingelagert werden, doch wird nach der Umgestaltung der Kirche kein Platz mehr für eine Neuaufstellung vorhanden sein. Es gibt zwar den Plan, die Orgel später gegenüber auf der Westseite aufzustellen. Abgesehen davon, dass die Verantwortlichen bisher kein Interesse am Erhalt der wertvollen Orgel gezeigt haben, dürfte die Neuaufstellung an den finanziellen Möglichkeiten scheitern. Dies insbesondere, da hierzu das Denkmalamt dem Abriss der 300 - 400 Jahre alten, recht originell gestuften drei oberen Westemporen zustimmen müsste. Somit dürfte dies, wie in den meisten vergleichbaren Fällen, das Todesurteil für dieses ganz besondere Instrument sein!

Seit über einem Jahr versuchen Denkmalpfleger, kirchliche Bausachverständige und Orgelliebhaber einen Kompromiss für die Kirchensanierung zu finden, bei dem die Orgel an ihrem Aufstellungsort verbleiben kann. Leider blieben alle Vorschläge und Stellungnahmen ungehört und haben wohl eher zu einer Verhärtung der Positionen beigetragen. Um eine Zustimmung entgegen allen Fachbehörden zu erlangen, soll diese nun auf politischem Weg erreicht werden. Dies ist möglich, da die Denkmalfachbehörde der Staatskanzlei unterstellt ist und deren Weisungen zu befolgen hat.

Dieser Aufruf soll den verantwortlichen Politikern und allen Verantwortlichen klar machen, dass einem solchen Umgang mit unseren kulturellen Werten widersprochen wird und er gesellschaftlich inakzeptabel ist.
Der mit der Umsetzung des Projektes beauftragte Pfarrer, Herr Christian Schaube, beruft sich auf das Selbstbestimmungsrecht der Kirchengemeinde. Dabei sollte man sich aber vergegenwärtigen, dass der Beschluss von einem kleinen Gemeindekirchenrat getroffen wurde, der für 4 Jahre gewählt ist, zwar die Kirchengemeinde zu vertreten hat, aber keineswegs gleichbedeutend mit der mehrheitlichen Meinung zu dieser Frage ist. Es gibt auch im Dorf durchaus andere Ansichten zur Umgestaltung der Kirche. Schon in wenigen Jahren könnte die nächste Generation diesen Verlust zutiefst bedauern!

Was macht nun den besonderen Wert des in Frage gestellten Ensembles aus? Der Einbau dieser beachtlichen Orgel auf einer großzügigen Musikerempore erklärt sich aus der herausragenden musikalischen Tradition des Dorfes Goldbach mit seiner großen Adjuvanten-Geschichte.
Es gab sowohl einen Kantor, als auch extra einen Organisten, die gleichzeitig Schulmeister waren und sich so ihren musikalischen Nachwuchs heranbilden konnten.
Die Orgel wurde vor über 200 Jahren (!) im Jahr 1816 von den Orgelbauern Johann Valentin Knauf und Ernst Ludwig Hesse gemeinsam gefertigt. Knauf hatte bereits den Kontrakt, als durch Johann Christian Wolfram die Erweiterung des Projektes und Einbeziehung Hesses erwirkt wurde. Wolfram war nicht nur irgend ein Organist, er war ein profunder Orgelkenner, der verschiedentlich Orgeln prüfte und ein damals vielbeachtetes Buch über den Orgelbau seiner Zeit veröffentlichte. In diesem werden die Orgeln der Hesse-Werkstatt mit ihrer überdurchschnittlichen Qualität bereits hoch gerühmt, was auch seine Einflussnahme zugunsten Hesses erklärt.
Lange geriet dies in Vergessenheit, doch taten die soliden und äußerst klangschönen Instrumente der Hesse-Werkstatt bis in jüngste Zeit, oft ohne irgendwelche Restaurierungsarbeiten, ihren Dienst. Freilich war deren Schönheit nach 150 - 200 Jahren nicht mehr ohne weiteres für jedermann erkennbar. Oft litten sie auch unter der Verwahrlosung von Kirchengebäuden in den Jahrzehnten der DDR-Zeit. Seit der Wiederentdeckung ihrer Qualität und der aufwändigen Restaurierung mehrerer Instrumente (Holzhausen, Seebergen, Wahlwinkel u.a.) wird die Dachwiger Orgelbaudynastie aber zunehmend hoch geschätzt und findet viele Liebhaber im In- und Ausland.

Während anderen Ortes schon Orgeln, die noch nicht einmal 100 Jahre alt und zum Teil mehrfach verändert worden sind, als wertvolle Denkmale geschätzt werden, erlaubt man sich im thüringischen Goldbach, ein fast 200 Jahre altes, unverändert erhaltenes, wertvolles Werk aufzugeben und zu entfernen!!! - für eine Raumkonzept, welches vor 50 -70 Jahren als modern, erstrebenswert und innovativ galt. Dort wo Vergleichbares umgesetzt wurde, wird es heute aber oft als Verarmung wahrgenommen und bereut. Unzählige Beispiele hierfür sind in den "alten Bundesländern" zu besichtigen. Dort besinnt man sich vielerorts der verlorenen Historie und rekonstruiert aufwändig, was z.T. kaum noch zu rekonstruieren ist.

Gerade in Goldbach ist diese Vorgehensweise besonders unverständlich, zeugt sie doch von völliger Geschichtsvergessenheit. Mit eigenem Adjuvantenchor und -orchester waren allsonntägliche Kantatenaufführungen fester Bestandteil des Gottesdienstes. Hierzu benötigte man eine große Musikerempore und eine prachtvolle, vielseitige Orgel.
Diese ist nun, neben den Archivalien (leider) die einzige Erinnerung an diese Blütezeit der Musikkultur.
Bedauerlicherweise haben auch die erst 2017 in Goldbach von der Academia Musicalis Thuringiae mit großem Engagement ausgerichteten Thüringer Adjuvantentage keinen bleibenden Eindruck und Sinneswandel im Dorf bewirkt. Sie sollten eigentlich jedem Goldbacher Bewohner vor Augen geführt haben, dass es in ihrem Dorf einen großen kulturellen Schatz zu bewahren gilt.
Auch die Tatsache, dass Orgelbau und Orgelmusik gerade im letzten Jahr in die  Liste des Weltkulturerbes aufgenommen wurden, scheint in Goldbach nicht gehört worden zu sein -  man behilft sich dort lieber mit einer elektronischen Attrappe.

Jeder in der Restaurierung verantwortlich arbeitende Orgelbauer weiß, dass ein Abbau der bislang unverändert aufgestellten Orgel immer mit Substanzverlust verbunden ist. Alte Orgelgehäuse sind nicht nach dem Baukasten-Prinzip zusammengesetzt, sondern verleimt, gedübelt und genagelt. Deshalb vermeiden wir bei Restaurierungen, wenn irgend möglich, den Abbau der Orgelgehäuse. Selbst wenn die Orgel nach der Kirchensanierung wieder aufgestellt würde (was nach gegenwärtigem Stand sehr unwahrscheinlich ist), wäre der vollständige Abbau also mit vermeidbaren Verlusten verbunden - von den Mehrkosten ganz abgesehen.
Eine Translozierung in eine andere Kirche wäre sicher noch eine letzte Rettung für das Instrument, wenn sich die Gemeinde Goldbach ihrer Orgel entledigen möchte. Das wäre immerhin noch  besser als eine fragwürdige Einlagerung ohne Perspektive. Allerdings dürfte es nicht einfach sein, für ein so großes, hohes Werk eine geeignete Alternative zu finden, zumal vor einer Neuaufstellung die umfangreiche Restaurierung anstehen würde.
Dass Orgeln für einen bestimmten Raum gefertigt und intoniert sind, dass sie Träger von Kultur und Geschichte des Ortes ihrer Errichtung sind und mit diesem eine Synthese bilden, die in diesem Falle verloren geht, muß Orgelkennern und -liebhabern nicht weiter erklärt werden.

Die Kirchgemeinde als Eigentümer kann in letzter Konsequenz leider ohne Zustimmung der Landeskirche und ohne Genehmigung des Denkmalamtes (Benehmensherstellung, kein Einvernehmen vorgeschrieben) über ihr Kirchengebäude verfügen. Die von der Kirchenverfassung aufgegebene Verpflichtung zur Bewahrung des Kulturgutes bleibt somit ein wohlmeinender Appell. 

Die einzige Chance für die Erhaltung der Orgel ist nun eine breite Öffentlichkeit und eine eindeutige Reaktion der politischen und kirchlichen Verantwortlichen.
Hierzu möchte ich aufrufen und Ihnen an das Herz legen, mit Unterschriften, eigenen Statements und weiteren Aktionen in sachlicher, emotionaler, aber nicht in beleidigender und polemischer Art Einfluss auf eine Revision des Beschlusses zu nehmen.
Eile ist geboten!

Waltershausen, den 04.10.2020

Gabi Damm und Joachim Stade,                                                       
Freundeskreis Hesse-Orgeln


mit freundlicher Genehmigung von Gabi Damm
Fotos: Rodrian / Joachim Stade
OI-G-59
weiterführende Links:

Webseite Emmaus-Gemeinde Goldbach