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Die Orgel in St. Martini et Nicolai zu Steinkirchen

Die Orgel
Disposition

Geschichte der Kirche
Ausstattung
Glockenturm

Die Orgel
Die Orgelgeschichte zu Steinkirchen begann lange vor der Schnitger-Orgel. Das älteste Dokument im Archiv der Kirchengemeinde datiert aus dem Jahr 1581, als man mit dem Hamburger Orgelmacher Dirck Hoyer einen Umbau der damals schon vorhandenen Orgel vereinbarte. Hoyer übernahm aus der Vorgängerorgel 2 Register (1510/20) und erweiterte das ursprünglich einmalige Instrument u.a. um ein Brustwerk mit fünf Stimmen und um ein Pendelregister. Vermutlich hat diese Orgel in der Nähe des Altars gestanden.

Rund 170 Jahre später muss diese Orgel abgängig gewesen sein. So schloss die Kirchengemeinde 1685 mit dem Hamburger Meister Arp Schnitger einen Vertrag über einen Orgelneubau. Das Werk bekam - auf einer neuen Empore im Westen 28 Register auf Hauptwerk, Brustwerk und Pedal, wobei 6 Register aus der Vorgängerorgel übernommen wurden.

1691 wurde das Orgelgehäuse bemalt. Dieser Zeit entstammen auch die Gemälde auf der Emporenbrüstung und die Inschriften, die u.a. auch über den Schnitgerschen Orgelbau direkt Kunde geben.

1733 wurde - anlässlich einer Kirchenrenovierung - die Orgel „an den Seiten herum mit Brettern auf Gardinen-Art bekleidet“. Das heutige optische Erscheinungsbild des Orgelbereichs geht also auf diesen Zeitpunkt zurück.

Im 18. Jahrhundert wurde die Orgel von dem Stader Orgelbauer Wilhelmy gepflegt. Im 19. Jahrhundert besorgten die Pflege Phillipp Furtwängler aus Elze, später die die Stader Orgelbauer Johann Hinrich und Heinrich Röver bis 1929.

Bis 1945 gingen einige originale Stimmen des Schnitger-Bestandes verloren. Schon Wilhelmy hatte 1775 „für das Gedackt 8’ (Pedal), so eine abgängige Stimme ist“, eine Oktave 8’ eingebaut; zu nicht bestimmbaren Zeitpunkten gingen die Mixturen von Hauptwerk und Pedal und das Gedackt 8’ des Brust-werkes verloren.

1947/48 ging die Orgel anlässlich einer Restaurierung in die Betreuung des Hamburger Orgelbauers Rudolf von Beckerath über. Beckerath versuchte zwar, die verloren gegangenen Stimmen durch Rekonstruktionen dem Original wieder anzunähern, ersetzte aber andererseits die noch originalen Klaviaturen durch neue, die dem Original nicht entsprachen. 1987 wurde die Orgel zuletzt durch die GmbH von Beckerath nochmals grundlegend restauriert. Dabei wurden die alten Klaviaturen, die noch vorhanden waren, aufgearbeitet und wieder eingebaut sowie die Trakturen unter Verwendung alter Teile rekonstruiert. Ebenfalls rekonstruiert wurde die Balganlage, bestehend aus sechs Keilbälgen. Auch das Pfeifenwerk wurde nach aktuellen denkmalpflegerischen Erkenntnissen restauriert bzw. rekonstruiert. Als Stimmung wurde eine moderat ungleichschwebende Temperatur nach Bach-Kellner ausgewählt.

Da sich einige Restaurierungsmaßnahmen der Arbeiten von 1987/91 als nicht dauerhaft erwiesen, mussten in der Zeit von September 2011 bis Juni 2012 erneut einige den Zustand stabilisierende Maßnahmen vorgenommen werden. Diese Arbeiten wurden von Rowan West (Altenahr) durchgeführt. West ersetzte außerdem die Mixtur im Hauptwerk und arbeitete die neue Cimbel um.
Die historischen Pfeifen der Mixtur stammten aus einer Zeit vor Schnitger, und fügten sich (nach im Laufe der Zeit vorgenommenen Veränderungen) nicht in das Klangbild Schnitgers ein. (Die entnommenen Pfeifen wurden dokumentiert und sind nun in der Orgel gelagert). Die Intonation der Orgel wurde in allen Teilen überprüft und wo notwendig, behutsam verbessert und mit einer historischen Stimmung versehen.
Diese Stimmung fand sich an den zugelöteten gedeckten Pfeifen (Quintadena/Rohrflöte) des Hauptwerks wieder und geht wohl auf Georg Wilhelm Wilhelmy (1775) zurück.

Disposition

Hauptwerk Brustwerk Pedal
Quintadena 16' H/S Gedact 8' S/B Principal 16' S
Principal 8' S Rohr-Flöt 4' S Octav 8' W
Rohr Flöt 8' +/S Quinte 3' ++ Octav 4' S
Octave 4' + Octave 2' S Nachthorn 2' B
Nassat 3' +/S Spitz-Flöth 2' S Rausch-Pfeiffe II S/B
Octave 2' + Tertzian II S/B Mixutr IV-V S/B
Gemshorn 2' S Scharff III-V S Posaun 16' S
Sexquialtera II S Krumphorn 8' S/H Trompet 8' S
Mixtur IV-VI RW Cornettt 2' S/B
Cimbel III B/RW
Trompet 8' S

Pfeifenwerk:
+ = vor Hoyer (1. Hälfte 16. Jh.)
H = Dirck Hoyer (1581)
S = Arp Schnitger (1687)
+ + = Werkstatt Schnitger (nach 1687)
W = Georg Wilhelm Wilhelmy (1775)
B = Rudolf von Beckerath (1987/1991)
RW = Rowan West (2012)

Manualumfang: C, D, E, F, G, A - c'''
Pedalumfang: C,D,E - d'

Manualschiebekoppel
Zimbelsterne (W)
Tremulant

Stimmung: ungleichschwebend nach Werkmeister III (modifiziert)

Geschichte

Steinkirchen feierte 1998 seinen 850. Geburtstag. Der Ort hieß früher "Lu", dann "Steenlu", später "Steenkarken" und seit etwa 150 Jahren "Steinkirchen" - offenbar nach seiner aus Stein gebauten Kirche. Da im 14. Jahrhundert hauptsächlich Holzkirchen gebaut wurden, war die Verwendung von Feldsteinen etwas Besonderes.

Die Kirche steht inmitten eines alten Friedhofes auf einer flachen Wurt neben der Hauptstraße. Bereits 1332 wird sie in einem Ablassbrief des Papstes Johann erwähnt.

Die ältesten Teile der Kirche findet man in der Apsis, an der Westwand (Turmseite) und in der Nordwand (Feldsteinmauern).
Um 1500 wurde die Feldsteinkirche mit Flachdach in einen gewölbten Backsteinbau verändert.
1687 - 1785 erfolgt ein nochmaliger Umbau in eine barocke Saalkirche. Die Kirche erhält ihre Priechen (Emporen), die Fachwerkanbauten als Treppenaufgänge (Nordseite) und das "Brauthaus" (Südseite).
1687 wurde die Arp-Schnitger-Orgel eingeweiht.
1696 kam der 47 m hohe, hölzerne Glockenturm hinzu; er ist nicht mit dem Kirchenschiff verbunden.
1773 bekam die Kirche ein mit Stuck verziertes Holztonnengewölbe und ein Mansard-Dach. Die Fenster wurden rundbogig erneuert.
1985/86 wurden die Kirche und der Turm grundlegend restauriert.
Seit Mai 1993 steht neben der Kirche eine 2,20 m hohe Bronzefigur des Bildhauers Carsten Eggers. Die Skulptur des Mönchs Heinrich ist ein Symbol für die holländischen Kolonisten, die im 13. Jh. begannen, unser Land urbar zu machen. Finanziert wurde dieses Denkmal mit Spendengeldern und einem Zuschuss der Gemeinde.

Ausstattung

Der reich verzierte Kanzelaltar wurde 1784/85 vom Tischlermeister Carl Bülkau geschaffen und vom Verdener Schnitzer Christoph Hermann Meyer verziert.
Die Stufen zum Altar werden seitlich durch hölzerne Schranken begrenzt. Diese en-den in zwei Säulen, die früher als Taufe und als Opferstock genutzt wurden.
Die Figuren neben der über dem Altar "schwebenden" Kanzel stellen Moses mit zwei Gesetzestafeln und den Evangelisten Johannes mit Buch (Evangelium) und Adler dar. Die Figuren überm Schalldeckel der Kanzel stehen für die drei göttlichen Tugenden Glaube (Kreuz), Liebe (Mutter mit Kind), Hoffnung (Anker). Über der vollplastischen Kreuzigungsgruppe schließt der Kanzelaltar mit dem Auge Gottes ab.
Der alte Altar, der 1512 erneuert wurde, und die 1605 von Oswald v. Zesterfleth gestiftete Kanzel sind seit dem Einbau des jetzigen Altars verschollen.

Die Priechen (Emporen) und das Gestühl stammen aus der Zeit des Umbaus 1687-1785. Die Bankplätze im Kirchenschiff wurden an Bewohner verkauft; ihre Namen waren bis zum 2. Weltkrieg an den Wänden aufgezeichnet. Die Priechen wurden im Stil des Rokoko (Ende 18. Jh.) vom Malermeister Schnibbe aus Hannover bemalt.
Die Prieche mit dem Wappen der Familie Zesterfleth stammt aus dem Jahr 1689.

Das Zesterflethsche Erbbegräbnis (1605) befindet sich unter dieser Prieche. Entdeckt wurde die Holztafel 1933 beim Bau einer neuen Heizung. Sie trägt die Inschrift:

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Die Kronleuchter sind in den Jahren1654 und 1793 gestiftet worden.

Taufbecken, Kanzel und Standleuchter wurden 1985/86 von einem dem dänischen Künstler Jack Hansen aus Ebeltoft bei Aarhus geschaffen.

Glockenturm

Der hölzerne Turm steht auf einem Granitsockel, hat einen quadratischen Unterbau und ein achteckiges Obergeschoß. Der Turmhelm hat zwei welsche Hauben, dazwischen ein achteckiges Uhrengeschoß. Den Abschluß bildet eine achteckige lange Spitze mit einem Erker für die Schlagglocke.

Im Turm befinden sich zwei Glocken. Die kleinere stammt von 1604, die größere von 1717, auf welcher folgender Spruch eingraviert ist: "Ich rufe die Lebendigen und beläute die Toten".

Die Schlagglocke mit der Inschrift "Hilf Gott, daß jeder Stunden Schlag der Mensch das End bedenken mag" stammt aus dem Jahr 1753.

Das alte Uhrwerk der Steinkirchener Kirche wurde 1912 von der Firma Weule aus Bockenem gebaut. Es befindet sich zu ebener Erde im Turm.


Texte und Fotos ...
... mit freundlicher Genehmigung der Kirchengemeinde (Hans-Jörg Gemeinholzer)
... mit freundlicher Genehmigung der Presseabteilung Musikfest Bremen / Arp-Schnitger-Festival (Carsten Preisler)
OI-S-63
weiterführende Links:

Webseite Kirche Altes Land