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Im Bauch spüren, nicht nur im Ohr hören
Orgelbaukreis der Dankeskirche Bad Nauheim besuchte Orgelbaufirma Klais in Bonn

Schon viel Gutes hatte der Orgelbaukreis von dem renommierten Traditionsunternehmen Klais gehört. Seit es im Sommer den Zuschlag für den Orgelneubau in der Dankeskirche erhalten hatte, wuchs das Interesse, mehr über die Firma und die Fertigung zu erfahren. Beim ersten Besuch in der Bonner Werkstatt war es Philipp Klais ein Anliegen, die neugierige Bad Nauheimer Besuchergruppe persönlich zu führen.

Ein riesiges Fassadengraffity und der alte Schriftzug „Johannes Klais Orgelbau“ über dem Eingangstor an der belebten Kölnstraße in Bonn lässt die Gruppe das erste Mal staunen. 140 Jahre besteht die Firma und wird seit 26 Jahren in der vierten Generation von Juniorchef Philipp Klais geführt. Er begrüßt sogleich mit einer Anerkennung: „Wir finden Ihre Kirche nicht nur klasse, weil sie eine tolle Akustik hat, sondern weil Sie eine lebendige Kirchenmusiktradition haben.“ Dass eine Gemeinde durch den Orgelklang den Menschen die Türen zur Musik öffnet, ist ihm wichtig.

Klais ist Orgelbauer aus Überzeugung. Das spürt man in seiner Begeisterung für den Beruf, der neben der künstlerischen viele handwerkliche Facetten hat. Das spricht aus der Sorgfalt bei der Auswahl der Materialien, dem vom Urgroßvater ererbtem Wissen, der Erfahrung aus Studien alter Orgeln und dem Blick auf die Zukunft. Hier wird nichts dem Zufall überlassen, alles ist durchdacht. Hier entsteht Qualität bis ins letzte Detail. So wird auch die neue Orgel in der Dankeskirche ein Individuum und von Leidenschaft beseelt sein.

Klais zählt europaweit zu den großen Orgelbaufirmen mit relativ konstant etwa 65 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sowie 14 Auszubildenden. Jeweils sechs Personen bilden ein Team, das ein Projekt von Anfang bis Ende begleitet. Drei bis vier Orgeln pro Jahr kann Klais bauen. Gerade fertig geworden ist ein Instrument für das Opernhaus in Kairo, bereits in lange Kisten verpackt sieht man eine Orgel für die Kathedrale in Brügge und eine für Hamburg. So ist der Saal leer und sauber gefegt, wenn demnächst Bad Nauheim an der Reihe ist.

Holz spielt im Orgelbau eine große Rolle. Im Hof liegen geschützt 180 bis 200 Jahre alte in Längsrichtung gesägte Baumstämme. Seit rund 100 Jahren arbeitet Klais mit Forstbauern aus dem Spessart und aus Österreich zusammen. „Die Bäume werden im Winter geschlagen. Wir wollen keine aufsteigenden Säfte, die Schädlinge anlocken“, erzählt der Chef. Er legt Wert auf präventiven Holzschutz und Nachhaltigkeit. Sanft streicht er über das glatte astfreie Fichtenholz der großen fertigen Pfeifen und schwärmt vom kleinen rotbraunen Einsatz aus Schweizer Birnbaum an ihrem Ende. Aus Holz werden auch die Trakturen, Windladen und der Spieltisch gefertigt. Für Restaurierungen verwenden sie mitunter seltenere Holzarten.

Längst beherbergt der Maschinensaal nicht mehr nur die eine Dampfmaschine wie zu Urgroßvater Johannes Zeiten. Hier sind Fräß-, Schneide-, Bohr- und Sägemaschinen untergebracht. Im „Spielzimmer“ der Azubis geht es schon digital zu. Klais weiß, dass Künstliche Intelligenz und Digitalisierung im Orgelbau der Zukunft ihre Berechtigung haben werden. Man könne auch über Technik Menschen für Musik begeistern, meint er. So wurde auch der Orgelprospekt für die Dankeskirche von einer Mitarbeiterin am PC entworfen und in Zusammenarbeit mit Kantor und Gemeindeabordnung final gestaltet.

„Jetzt zeige ich Ihnen noch die Gießerei“,  beordert Philipp Klais die Gruppe in den Keller. In einem Kessel wird die Zinn-Blei-Legierung geschmolzen und zu langen, bis etwa ein Millimeter starken Blechen gegossen. „Walzen verändert das Gefüge, wir wollen doch keine Ofenrohre“, scherzt er. Und wenn er erklärt, dass er nicht die geringste Unebenheit an der Naht duldet, - wenn ein Spalt wäre, würde die Pfeife sowieso nicht klingen -  dann merkt man wieder den hohen Qualitätsanspruch. „Man muss den Klang im Bauch spüren und nicht nur mit den Ohren hören“, sagt er und die Vorfreude auf eine wohlklingende, die Menschen berührende Orgel wächst erneut.

Nach zweistündigem Gang treppauf treppab durch verwinkelte Werkstattsäle, vorbei an alten Orgelgehäusen und unzähligen Fotos der 2000 bisher erstellten Instrumente – Bad Nauheim bekommt die Opus-Nummer 2002 - verabschiedet Philipp Klais die Gruppe mit einem Hinweis: „Wenn unser Team zum Einbau in Ihre Gemeinde kommt, dann soll es sich jeden Tag wohlfühlen bei einer Kanne Kaffee und einem Kuchen und natürlich interessierten Gesprächen.“ Der Gedanke, mit der Wahl des Orgelbauers aus Bonn alles richtig gemacht zu haben, fährt mit zurück in die Heimat.

Pressemitteilung Orgelbaukreis Dankeskirche Bad Nauheim
weiterführende Links:

Die Orgel der Dankeskirche Bad Nauheim