Erhalt historischer Orgeln wird erneut mit über 100.000 € gefördert
Die Berthold Leibinger Stiftung unterstützt zum dritten Mal den Erhalt historisch bedeutsamer Orgeln
Die Berthold Leibinger Stiftung setzt sich für den Erhalt des Kulturgutes
Orgel ein und hat dafür 2023 die Förderlinie „Historische Orgeln“ ins
Leben gerufen. Dieses Jahr können nunmehr umfassende
Restaurierungsarbeiten an insgesamt sechs Orgeln durchgeführt
werden. Diese wurden von einem Beirat ausgewählt, der sich unter
anderem aus Orgelsachverständigen der Evangelischen Landeskirche
in Württemberg und der Diözese Rottenburg-Stuttgart zusammensetzt.
Folgende Instrumente werden gefördert:
Mannheim: Voit-Orgel in der Kirche St. Sebastian
„Die 1875 erbaute Voit-Orgel der Mannheimer Sebastianskirche, die
älteste Orgel der Stadt, vor 60 Jahren unglücklich umgebaut und seit
Jahren unspielbar, wird auf ihren ursprünglichen Zustand
zurückrestauriert. Die Förderung dieses für die Orgelbaulandschaft
weit über die Region hinaus hochbedeutenden Projekts begründet sich
auch durch die zu erwartende umfangreiche Nutzung des Instrumentes
in der direkt am Marktplatz gelegenen zentralen katholischen
Citykirche mit ihren reichhaltigen kulturellen und sozialen Angeboten“,
begründet Prof. Dr. Ludger Lohmann, Mitglied des Beirats und
ehemals Professor an der Hochschule für Musik und Darstellende
Kunst Stuttgart, die Wahl.
Börtlingen: Schäfer-Orgel in der Johanneskirche
Die mechanische Kegelladen-Orgel in der Johanneskirche Börtlingen
ist ein romantisches Instrument aus der Göppinger Orgelwerkstatt der
Familie Schäfer, das seine wesentliche Gestalt im Jahr 1896 erhalten
hat. Durch einen stilwidrigen Eingriff wurde 1986 die bauzeitliche
Windanlage deaktiviert und eine völlig unzureichende Windversorgung
installiert. Die Leibinger-Stiftung ermöglicht der Gemeinde den Bau
einer neuen Balganlage, damit die Orgel ihre klanglichen Qualitäten
wieder hörbar machen kann.
Oberndorf a.N.: Walcker-Orgel in Stadtkirche
Die im 19. Jahrhundert stark gewachsene evangelische Gemeinde in
Oberndorf am Neckar erhielt 1916 einen in seiner architektonischen
Konzeption herausragenden neuen Kirchenraum durch den Stuttgarter
Architekten Martin Elsaesser. Einbezogen in die Innenarchitektur
wurde auch das Gehäuse für die Orgel auf der Chorempore hinter dem
Altar. Die Ludwigsburger Orgelbaufirma Walcker lieferte hierfür im
selben Jahr trotz kriegsbedingter Schwierigkeiten der
Materialbeschaffung ein Instrument, welches klanglich ganz dem
spätromantischen Ideal verpflichtet war. Durch einen
Löschwasserschaden wurde das Instrument 1952 so schwer
beschädigt, dass bis in die 1970er Jahre der Abbau der Orgel erfolgte.
Glücklicherweise blieb etwa 30% des originalen Pfeifenmaterials
erhalten. Ein Wiederaufbau der Orgel nach Walcker’schem Vorbild
unter Verwendung des vorhandenen Pfeifenmaterials ist bis Ende
2026 geplant. Ergänzend zum bisherigen Instrument ist dabei der
Einbau eines Fernwerks zur Erweiterung der Klangfarbenpalette im
Sinne des in Oberndorf geborenen Komponisten Sigfrid Karg-Elert
geplant. Dadurch erhält nicht nur der Kirchenraum und die Gemeinde
eines der wichtigsten Ausstattungsstücke zurück, sondern ein in der
gesamten Konzeption herausragendes Instrument, welches
überregional seinesgleichen sucht.
Jagsthausen-Olnhausen: Mezler-Orgel in der Johanneskirche
„Die historische Mezler-Orgel in Olnhausen, erbaut 1800, ist
weitgehend original erhalten. Das Register Flöte 4´ wurde vor 1944
aus der Orgel entfernt. Wir fördern dieses Projekt, um die verloren
gegangene Pfeifenreihe nach Mensuren von Mezler zu
rekonstruieren“, erläutert Antal Váradi, Bischöflicher Orgelrevisor der
Diözese Rottenburg-Stuttgart.
Gundelsheim-Bachenau: Gebrüder Späth-Orgel in Pfarrkirche St. Walburga
„Die Späth-Orgel in Bachenau, erbaut 1902, wurde nach dem zweiten
Weltkrieg an die Klangästhetik der damaligen Zeit angepasst, bei der
durch die Verkürzung der Pfeifen die Orgel einen stärkeren Barock-Klang erzeugen sollte. Durch die Förderung wird eine
Teilrekonstruktion des ursprünglichen Klangbildes erreicht“, erklärt
Antal Váradi weiter.
Albstadt-Ebingen: Weigle-Orgel der Friedenskirche
„Die im Jahr 1932 mit 18 Registern erbaute Weigle-Orgel der bereits
entwidmeten und zum Verkauf stehenden evangelischen
Friedenskirche Ebingen, soll in die Aussegnungshalle des städtischen
Friedhofes Albstadt-Ebingen umziehen und in den Besitz der
bürgerlichen Kommune übergehen. Wir fördern dieses Projekt, da es
mit seiner Idee, in der Aussegnungshalle nahezu täglich viele
Menschen mit Orgelmusik zu erreichen und die wertvolle historische
Orgel in ihrer angestammten Region zu belassen, einen Weg für den
Erhalt von denkmalwerten Instrumenten aufweist, den wir
richtungsweisend finden“, kommentiert Roman Schmid, Orgelrevisor
Kirchenmusiker und Glockensachverständiger der Diözese
Rottenburg-Stuttgart die Entscheidung.
Mit den Förderungen können nun dringend anstehende Sanierungen
und Restaurierungen vorgenommen werden.
Die Maßnahmen an der Bornefeld-/Link-Orgel in der Peterskirche in
Dettingen im Albuch sowie an der Link-Orgel in der Nikolauskirche in
Temmenhausen, die im vergangenen Jahr gefördert wurden, konnten
inzwischen bereits abgeschlossen werden. Zwei weitere Orgeln, die
ebenfalls durch die Förderlinie „Historische Orgeln“ von der Berthold
Leibinger Stiftung gefördert werden konnten, sollen noch in diesem
Jahr folgen.
Viele Kirchengemeinden und staatlich anerkannte
Bildungseinrichtungen stehen finanziell mit der Erhaltung ihrer zum Teil
sehr wertvollen und historisch bedeutsamen Orgeln zunehmend unter
Druck. Zudem werden nicht mehr alle Kirchenräume gottesdienstlich
genutzt und es haben sich in der liturgischen Praxis neben der
Orgelmusik längst auch popularmusikalische Musizierformen etabliert.
Gerade dann bieten die Orgel und der Kirchenraum als Konzertort
kulturelle Anreize und neue Nutzungsmöglichkeiten: So gewinnt
beispielsweise das Kirchengebäude als außerschulischer Lernort in der Vermittlung kultureller Wurzeln an Bedeutung. „Die Orgel gehört
als Instrument zum immateriellen Weltkulturerbe. Dieses zu bewahren
liegt uns als Stiftung mit kulturellem und kirchlichem
Förderschwerpunkt besonders am Herzen“, erläutert Markus Wener,
Geschäftsführer der Berthold Leibinger Stiftung. |