Die verwitwete Frau Capellmeisterin Bach
Autor: Eberhard Spree ISBN: 978-3-95755-624-4
Verlag: Kamprad
Mit „Studie über die Verteilung des Nachlasses von Johann Sebastian Bach“ ist dieser Band untertitelt, dessen Autor der Gewandhaus-Kontrabassist Dr. Eberhard Spree ist, der damit seine Dissertation vorlegte. Er ging der Frage nach, warum Bach eine „Bergwerksaktie“ besaß und was sie für die Erbteilung bedeutete. Immerhin war im Nachlassverzeichnis nach dem „fournirt Clavecin“ im Werte von 80 Talern die „Kux“ mit 60 Talern die zweithöchste Dotierung eines Einzelposten.
Nach vielen Recherchen zur Bergwerkssituation in Sachsen, zu den durchschnittlichen Jahreseinkünften der Beschäftigten dort um die Mitte des 18. Jahrhunderts in Mitteldeutschland, dann zu den Vereinbarungen zwischen Anna Magdalena und den Kindern Bachs, zum Nachlassverzeichnis und dem nicht aufgeführten Eigentum (z.B. der „Gerade“, die alle zum Haushalt gehörende Dinge umfasste, die sowieso im Eigentum der Hausfrau verblieben, außerdem: „Sie erwarb die Ausstattung für einen Haushalt von mindestens sieben Personen, darunter auch einen wertvollen Schrank und Männerkleidung. Vor allem aber bezahlte sie 38 Taler und 16 Groschen, um die Schuldobligation ihrer Schwester zu erhalten. Damit war sie alleinige Ansprechpartnerin. Eine Rückzahlung des Geldes dürfte nicht zu erwarten gewesen sein.“), den zum Zeitpunkt des Todes Bachs nicht beglichenen Schulden Bachs und zu Vereinbarungen aus späterer Verteilung (z. B. der Instrumente) ist das Ergebnis überraschend. Da der Bergwerksanteil der Grube „Ursula Erbstolln“ zu Klein Voigtsberg sich als wertlos herausstellte, da die Silber-Grube kaum etwas abwarf, die Anteilseigner aber verpflichtet waren, eine „Zubuße“ von vierteljährlich 1 Taler und 3 Groschen zum Betrieb der Grube zu leisten, ließen die Erben folglich diese „Kux“ 1751 verfallen, der Betrag von 60 Talern war also total irrelevant für eine Erbteilung.
Spree wandte sein weiterführendes Interesse dem Auskommen der Witwe Bachs zu, dem er mit ausdauernden Forschungen in den Archiven Leipzigs u.a. nachging. Anträge an die Universität, die Stadt und die zahlreichen Vereinbarungen waren zu sichten und zu werten, dazu das „Gnaden(halb)jahr“, Zahlungen aus „Legaten“ (Stiftungen), die „Almosenzahlungen“, wahrscheinliches selbst erwirtschaftetes Einkommen (aus dem Vertrieb von Notenmaterial und der Vermietung von Instrumenten und Wohnraum an Studenten und Messebesucher, s. obiges Zitat!).
Der Band schließt mit Anmerkungen zur Begräbniskultur im Jahr 1760, Anna Magdalena wird ein ordentliches, stilles Begräbnis erhalten haben, wie es für Personen ihres Standes, einer „Frau Capellmeisterin“, üblich war. Beruhigend also die Erkenntnis, dass die Witwe Anna Magdalena mit ihren im Haus verbliebenen drei Kindern Gottfried Heinrich, Johanna Carolina und Regina Susanna ein vielleicht nicht standesgemäßes, aber auskömmliches Leben führen konnte, worüber der Begriff „Almosen“ etliche Romanschreiber hinweg getäuscht hat, er meinte damals eher „regelmäßige Zuwendungen“.
Seine Erkenntnisse fasst Spree in einem umfassenden Resümee in aller Deutlichkeit zusammen.
Im Anhang finden sich das Nachlassverzeichnis, die Vereinbarungen zur Verteilung der darin aufgeführten Posten, eine Abkürzungstabelle, ein ausführliches Literaturverzeichnis und ein Personenregister. Insbesondere für die Korrektur der „roman“-tischen Vorstellung, Bach hätte für eine Versorgung seiner Frau als Witwe nicht gesorgt und sie als Bettlerin hinterlassen, sei Spree gedankt. Wie die Wirklichkeit vergleichsweise wohl ausgeschaut haben mag, belegt er mit guten Quellen.
Rainer Goede - für www.orgel-information.de
August 2019 / Februar 2020
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