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Orgel- und Clavierwerke IV

Komponist: Girolamo Frescobaldi
Herausgeber: Christopher Stembridge
Bärenreiter Ausgabe BA 8415
Verlag: Kamprad

Fiori musicali (Venedig, Vincenti 1635) und Aggiunta des Secondo libro di Toccate 1627 (Rom, Borboni, 1637)

Neue Maßstäbe, natürlich beeinflusst von Vorbildern wie Ercole Pasquini, Giovanni Maria Trabaci und Claudio Merulo setzte am Übergang von der Renaissance zum Barock Girolamo Frescobaldi - auf vokalem Gebiet nur vergleichbar mit seinem Zeitgenossen Claudio Monteverdi (1567 - 1643) - mit seinen gedruckten Werken:
den Toccate e partite d’intavolatura di cimbalo libro primo, Rom, 1615 (Band I,2 BA 8412),
den Recercari, et canzoni franzese fatte sopra diverse oblighi in partitura libro primo, Rom, 1615 (Band I,1, BA 8411),
den Il primo libro di capricci fatti sopra diversi soggetti et arie in partitura, Rom, 1624 (Band II, BA 8413),
den Il secondo libro di toccate, canzone, versi d’hinni, Magnificat, gagliarde, correnti et altre partite d’intavolatura di cembalo et organo, Rom, 1627 (Band III, BA 8414)
und den Fiori musicali di diverse compositioni, toccate, kyrie, canzoni, capricci, e recercari, in partitura, Venedig, 1635, (Band IV, BA 8415).
Es folgten 1637 noch die Aggiunta zum Libro secondo (in demselben Band der Stembridge-Ausgabe).

Mit seiner Musik prägte Frescobaldi, der als Organist in Ferrara, Rom, Mantua, Florenz und wieder in Rom wirkte, eine ganze Schülergeneration, u.a. Froberger studierte von 1637 bis 1641 bei ihm und brachte seine Kunst bis nach Norddeutschland, wo der „Stilo recitativo“ zu den großen norddeutschen Toccaten führte.

Mit der vorliegenden Ausgabe der Fiori musicali beschließt Christopher Stembridge seine Neuausgabe der Orgelwerke Frescobaldis (1583 – 1643), nach der Pidoux-Ausgabe (Kassel 1949) ist es nach 70 Jahren erst die zweite Ausgabe, die den Ansprüchen einer Urtextausgabe genügt. Mit seinen ausführlichen Vorworten setzt Stembridge einen neuen Maßstab der Editionsqualität, dabei ergänzen sich die Vorworte, so dass ein relevantes Bild erst beim Studium aller Vorworte der fünfbändigen Ausgabe entsteht. Spezielle Anmerkungen zur Editionsgeschichte, der Vita Frescobaldis, der Musik, ihrer Notation und Aufführungspraxis finden sich in Band I,1, die berühmte Vorrede Frescobaldis, die Auskunft gibt über die ihm gemäße Interpretation, zwei Übersichtstafeln über die Quellenlage, die neue Details bereithält, und über die Editionsrichtlinien finden sich in Band I,2. Stembridges wichtige Anmerkungen zur „Geburt einer neuen Form“, der Capricci, „Die Musik“ und „Aufführungspraxis“ finden sich in Band II, eine Übersicht zu den Ausgaben und Nachdrucken erscheint in Band III zusammen mit einer Tafel, die einen Überblick gibt über die Vorzeichnung eines Dreiertaktes im Libro secondo. Den einzelnen Bänden sind außerdem jeweils eigen eine differenzierte Einführung in die Entstehungsgeschichte der betreffenden Werke, in deren Quellensituation, Aufführungspraxis und Editionstechnik sowie ein Kritischer Bericht.

Die Fiori musicali (der Titel machte Schule!) bringen siebenundvierzig liturgische Werke, gegliedert in drei Messen: Sonntagsmesse, Apostelmesse und Marienmesse. Es sind cantus-firmus-gebundene Sätze, Werke freien Stils (Toccaten), streng kontrapunktische Werke (Ricercari und Kanzonen), und die profanen Bergamasca-Variationen sowie das Capricio sopra la Girolmeta. Die Fiori musicali wurden zu einer Art künstlerischem Testament Frescobaldis und gehören auf jedes Notenpult einer/s Organistin*en. Die Aggiunta umfassen Werke „im neuen Stil“ nach der extrovertierten neuesten römischen Mode von 1637. Es sind neben einigen Tanzsätzen und Passacaglien die Cento Partite sopra Passacagli, Frescobaldis ausgedehnteste Komposition, die sechs Ruggiero-Partiten, das Capriccio sopra la Battaglia und das Capriccio Pastorale, mit dem Frescobaldi die Gattung der Hirtenmusiken einführte. Auf nicht weniger als 23 Seiten Einführung erhellt Stembridge dieses Oeuvre, dazu kommen Frescobaldis Vorwort, eine Übersicht über die Dreiertakt-Abschnitte, die Titel der Erstausgaben und Berichte zu den Quellen und zur Edition, der Kritische Bericht mit einer Übersicht der Ornamentierungen in der Turiner Tabulatur und ein Faksimileverzeichnis. Das Abkürzungsverzeichnis steht kurioserweise am Schluss, nachdem man sich schon gefragt hat, was das eine und andere Kürzel wohl bedeuten soll.

Die Neuausgabe umfasst alle gedruckten Werke von 1615 bis 1637, enthält aber leider nicht die Il primo libro delle fantasie a quattro (Mailand, 1608) und die posthumen Canzoni alla francese in partitura (Venedig, 1645). Wie fortschrittlich 1949 bereits die Ausgabe Pidouxs war, ist am Druckbild zu erkennen, das die Neuausgabe nur in die ursprüngliche Balkung bringt und zusätzlich eine Taktnummerierung. Alles in allem aber ist diese Ausgabe nicht nur eine Folgeausgabe der Pidoux-Ausgabe nach rund 70 Jahren, sondern ist durch die Einführungen von Christopher Stembridge das Nonplusultra einer heutigen Frescobaldi-Edition!

Rainer Goede - für www.orgel-information.de
August 2019 / Februar 2020


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