Die Riesenorgel im Wiener Stephansdom
Herausgeber: Konstantin Reymaier
Verlag: Schnell und Steiner
Es hat nicht sollen sein, die Wiedereinweihung der Riesenorgel im Wiener Stephansdom zum Wunschtermin am 12. April 2020, dem Ostersonntag, genau 75 Jahre nach ihrer Zerstörung, Corona diktiert auch in Wien die Termine. Aber das Buch zur Orgel ist pünktlich, auf 224 Seiten strömen dem Leser die Lust an der Konzeption und ihrer Geschichte (Reymaier), die Lust am Orgelbau und der Stolz über die überwundenen Schwierigkeiten (Wendelin Eberle), die Lust am Bewusstmachen der Orgelbaugeschichte im Dom (Gottfried Allmer und Wolfgang Zehetner)), der historischen Orgeldarstellungen im Dom (Arthur Saliger), der Orgelmusikgeschichte im Dom (Martin Czernin), der historischen Dienstanordnungen für die Kantoren und Organisten (Helena Kramarova) und der Gesangbuchgeschichte im Dom (Franz Karl Praßl) entgegen. Domkantor Markus Landerer stellt seine Arbeit und die seiner Domkollegen vor, Domorganist Ernst Wally schrieb ein besonderes Orgelvorspiel. Im Anhang finden sich Konstruktionszeichnungen, die das Textverständnis erleichtern, und die historischen Dienstanordnungen in moderner Übertragung. Autoren*Innenverzeichnis und Bildnachweis beschließen den Prachtband, der mit vielen Fotos den Werdegang der neuen Orgel nachzeichnet. Das Besondere an diesen Beiträgen ist, dass die Autoren mit großer Hingabe und Begeisterung von ihrer langjährigen Arbeit berichten, so dass der Leser das Buch mit Empathie verfolgt.
Die Geschichte der Domorgeln auf der Westempore beginnt erst 1720 mit der Römer-Orgel (II/32?), ihr Prospekt ging am 12. April 1945 (!) unter. Hinter diesem repräsentativen Prospekt hatten Werke von Johann Wimola (1792), Ignaz Kober (1812) und schließlich Walcker (Opus 434, 1886, III/90) gestanden, womit der bisherige Höhepunkt der Orgelbaugeschichte im Dom erreicht war. 1939 sollte sie noch einmal um 20 Stimmen im historischen Rückpositivgehäuse und in einem zusätzlichen Schwellwerk erweitert werden durch die Wiener Firma von Johann Marcellinus Kauffmann (1910 – 1965), was aber nicht mehr vollendet werden konnte. 1960 stellte Kauffmann dann die neue Orgel auf elektropneumatischen Kegelladen auf der Westempore (IV/126) fertig hinter einem Freipfeifenprospekt. Mitten durch die Orgel zog sich der Schwibbogen zwischen den beiden Türmen, der akustisch aber höchst unglücklich für den Aufbau der Werke und die Absprache der Pfeifen wirkte. Die ungeliebte Orgel wurde 1991 abgelöst durch eine Chororgel der Firma Rieger (IV/56), auch die Dommusik zog von der Westempore an deren Strandort. Die Kauffmann-Orgel wurde stillgelegt und schwieg bis zu ihrer Abtragung. Teile von ihr finden sich auch in der neuen Riesenorgel (V/130), Genaueres steht in diesem informativen Buch, das nicht nur Wissen zusammenträgt, sondern auch die Begeisterung vermittelt, die zum Gelingen eines Orgelbaus in großem Maß beiträgt.
Rainer Goede - für www.orgel-information.de
Mai 2020 / September 2020
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