Wiener Orgelmusik um 1600
Herausgeber: Erich Benedikt
Verlag: Doblinger
Was haben Philipp de Monte, Jacob de Kerle, Carolus Luython, Blasius Amon, Thomas Bodenstein, Egidius Bassenge und Christoph Strauss gemeinsam? Richtig, sie sind weitgehend unbekannt. Um 1600 wirkten sie in und um Wien und wurden deshalb mit Kompositionen für Orgel bzw. Tasteninstrumente aus dieser Zeit vom Herausgeber Erich Benedikt im Band 1354 der Reihe Diletto-musicale des Doblinger Verlags vereint.
Als Quellen für diesen Band dienten vorwiegend die erst 1957 entdeckte polnische Tabulatur von Pelplin sowie der umfangreiche Wiener Minoriten-Codex. Beide Sammlungen enthalten eine Vielzahl an sogenannte Intavolierungen, also Vokalwerke in Bearbeitung für Tasteninstrumente. Sie sind ein schönes Zeugnis der damaligen Musizierpraxis an Tasteninstrumenten, welche vorwiegend in der Bearbeitung und Ausschmückung von vokalen Vorlagen bestand. Ebenso wurden Intavolierungen im Geiste der Zeit vom Herausgeber angefertigt und abgedruckt, welche auch als Anregung für die eigene Übertragung früher Ensemblemusik dienen sollen.
Wie schon in den vorangegangenen Bänden der Serie „Wiener Orgelmusik“, die sich Kompositionen späterer Jahrhunderte widmen, bringt Erich Benedikt Stücke ans Licht, die wenig bekannt sind bzw. noch nie veröffentlicht wurden. Das Notenbild ist sehr angenehm zu lesen und auch von Seiten des Herausgebers sind meines Erachtens alle Kriterien für eine klare, sachliche Darstellung des Notentextes erfüllt. Lediglich so manche Ergänzungen in Hinblick auf Pedalspiel und Akzidentien, die aber klar erkennbar in Klammern notiert sind, können für professionelle Musiker als störend empfunden werden. Allerdings unterstützen sie im Umgang mit dem Notentext, was durchaus ein sehr komplexer Prozess in diesem Repertoire sein kann. Ergänzte Noten sind nach moderner Editionspraxis im Kleinstich wiedergegeben.
Ein kompaktes Vorwort gibt einen kleinen Einblick in die Quellenlage und zeigt zwei Dispositionen von Orgeln des 16. Jahrhundert aus dem Augustiner-Chorherrenstift Klosterneuburg bei Wien. Diese sind in dieser Art leider nicht mehr vorhanden, allerdings lebt ihr Pfeifenmaterial in der großen Festorgel von Johannes Freundt aus dem Jahr 1642 weiter. Zusätzlich findet man Steckbriefe der Komponisten sowie Quellenangaben zu den einzelnen Stücken. Etwaige Korrekturen und Fragen zum Notentext sind vom Herausgeber angeführt.
Somit handelt es sich um einen gelungenen Sammelband alter „Schmankerl“ aus dem Wiener Raum, die sicherlich sowohl für Profis als auch für Amateure eine Bereicherung darstellen. Zum Schluss sei nochmals auf die universelle Anwendung dieser Musik hingewiesen, sei es im kirchlichen Dienst an der Orgel oder in der intimen Hausmusik am Cembalo oder Clavichord.
Johannes Zeinler für www.orgel-information.de
Oktober 2020 / Januar 2021
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