Rinck, Christian Heinrich - Fantasie und Fuge
Herausgeber: Zuleger, Tobias
Verlag: Butz
Bach – Kittel – Rinck. Anders formuliert: Heinrich Christian Rinck (1770-1846) war Enkelschüler Bachs und nicht nur das - man könnte ihn auch als Brückenbauer zwischen spätbarocker Tradition und früher Romantik betrachten. Zusätzlich war Rinck zu einer Zeit tätig, als Orgelmusik aus der Mode kam und ihre Bedeutung stark verloren gegangen war. Nichtsdestotrotz war der “rheinische Bach”, wie Rinck zu Lebzeiten genannt wurde, als Zeitgenosse Mozarts, Beethovens und Schuberts weltberühmt und galt als einer der besten Orgelvirtuosen seiner Zeit.
Aus seinen 129 Werken stechen heute seine umfangreiche Praktische Orgelschule op. 55 und sein bekanntes Abendlied hervor. Die Fantasie und Fuge für volle Orgel wurde vom Komponisten mit keiner Opuszahl versehen und wurde zu Rincks 250-jährigen Geburtsjubiläum von Tobias Zuleger im Butz-Verlag mit der Verlagsnummer 2961 erstmals herausgegeben.
Das Stück steht in Es-Dur und kann zutreffend mit „noble et pathétique“, also „erhaben und leidenschaftlich“ beschrieben werden, wie Grétry die Tonart in seinen Memoires beschreibt. Aus der Erfurter Studienzeit bei Kittel stammend, ist dieses Werk Rincks früher Schaffensperiode zuzuordnen und hat, seine Form betreffend, barocke Vorbilder. Die Klangsprache allerdings ist weniger barock und deutlich mehr in der Klassik beheimatet. Mit der formalen Anlage A-B-A', bzw. langsam-schnell-langsam und dem punktierten Rhythmus im anfänglichen Grave lassen sich noch letzte Spuren einer französischen Ouvertüre erkennen. Deutlich spielerischer und zugleich dramatischer erscheint das Allegro moderato, welches nach einer kleinen, für die Klassik typischen solistischen Kadenz, zurück ins Grave mündet. Anschließend folgt eine ausführliche Doppelfuge, welcher zunächst ein sangliches Thema zugrunde liegt. Nach einer kleinen Zäsur erscheint das zweite Thema, welches der Umkehrung des, im Allegro moderato der Fantasie vorherrschenden, Themas entspricht. Dieses tritt stets in Kombination mit dem Hauptthema auf. Als Besonderheit sei noch die durchaus virtuose Pedalbehandlung in der Fantasie hervorgehoben, die dann in der Fuge allerdings wieder in den Hintergrund tritt und ausgetüftelter Kontrapunktik weicht.
Gemäß heutigen editorischen Standards ist dieser Ausgabe ein Kritischer Bericht angefügt, welcher über die Quellen und die Arbeit des Herausgebers informiert sowie eine Vielzahl von detaillierten Bemerkungen beinhaltet. Im Vorwort wird versucht, die Komposition in Rincks Biografie und in den musikgeschichtlichen Kontext einzuordnen. Der Notentext ist klar wiedergegeben und auch abgesehen davon ist am Druck nichts auszusetzen, auch wenn im Kritischen Bericht die Bemerkungen in einfachen Tabellen etwas lieblos dargestellt sind. Jedoch ist dieser Notenband preislich auf der günstigen Seite. So gesehen kann über diese Kleinigkeit hinweggesehen werden, zumal der Inhalt dadurch nicht beeinträchtigt wird.
Christian Heinrich Rincks Fantasie und Fuge ist demnach ein sich lohnendes Konzertstück, das aus einer Stilepoche stammt, als Kompositionen für Orgel eher rar waren. Auch für gottesdienstliche Zwecke lassen sich Teile dieses Stückes gut verwenden, welches vor allem durch die Tatsache legitimiert wird, dass Rinck selbst Teile aus seiner Fantasie und Fuge in spätere Stücke wie dem Postludium op. 48 oder der Fantasia patetica op. 55 verarbeitet hat. Ein schönes Stück Musik also, welches das Repertoire vieler Organisten vielfältiger machen würde und so manche Lücke schließen könnte.
Johannes Zeinler - für www.orgel-information.de
Januar / März 2021
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