Alexandre Pierre Francois Boëly - Das komplette Orgelwerk in sieben Bänden
Herausgeber: Nanon Bertrand-Tourneur
Verlag: Éditions Publimuses
Vol I Les Offertoires PBM 32.01, Paris 2001, und Vol IV Les Pièces pour orgue expressif ou harmonium PBM 37.04, Paris 2004, je 54,- €
Der Verlag Butz hat die Auslieferung der Editionen des Pariser Verlags Publimuses mit Orgelmusik des 19. Jahrhunderts für Deutschland übernommen. Die gesamten Orgelwerke von Boëly, René Vierne, Benoist, Boëllmann, Chauvet, Louis Niedermeyer, Sigismond Neukomm und Ribollet sind damit problemlos auch in Deutschland zu bekommen, wofür der Verlagsleitung sehr zu danken ist, war doch bisher die direkte Auslieferung jedenfalls nur mit Schwierigkeiten und größerem Zeitaufwand verbunden. Zwar sind die Ausgaben inzwischen etwas älter, sind aber nach wie vor auf dem neuesten editorischen Stand. Jeder Band (frz./engl.) verfügt über einen sehr ausführlichen Begleitapparat (Vorwort (Brigitte Francois-Sappey), Werkeinführung (Henri de Rohan-Csermak), eine gründliche Abhandlung „Boëly und die Orgel“ (Georges Lartigau) sowie Faksimiles etc.).
Alexandre Boëly (1785 – 1858) war Organist an den Kirchen Saint-Gervais Saint-Protais und St-Germain-l’Auxerrois. Er hinterließ etwa 275 z.T. erst post mortem veröffentlichte Orgelwerke unterschiedlicher Länge und Bedeutung. Sein Stil wandelte sich von der Romantik hin zur Klassik, der Schwierigkeitsgrad ist meist nicht sehr hoch, die Musik aber wunderschön. Boëly schrieb neben Motetten, Chormessen, Klavierwerken, Violinsonaten, Streichtrios und –quartetten, für seine Orgeln Messen, bzw. Ordinariumsstücke, Noels und freie Stücke wie eine leider verschollene Orgelsymphonie, und vor allem für das damals neue Harmonium (Orgue expressif). Auch ein Theoriebuch zu Bachs Fugenkunst ist erschienen.
Der erste Band der Gesamtausgabe bringt sämtliche Offertoires (4 Offertoires op. 9 und weitere sechs Offertoires, die als liturgische Gebrauchsmusik teils auch mit konzertantem Anspruch anzusehen sind. Besonderes Augenmerk verdient neben der volkstümlichen Messe de Jour de Noël, op. 11, das Offertoire pour le Jour de Pàques, op. 38/10 (1860), das den Charakter einer symphonischen Schilderung der Auferstehung in mehreren Sätzen annimmt. Dabei ist Boëly zwar noch den Klangmöglichkeiten der Orgeln der französischen Klassik verhaftet, wie sollte es anders sein, andererseits nutzt er neue kompositorischen Mittel zu dramatischer wie pompöser Klangpracht. Der vierte Band der verdienstvollen Boëly-Gesamtausgabe enthält sämtliche Stücke für die „expressive“ Orgel bzw. das Harmonium. Die „Zwölf Stücke“ op. 14 („Douze Morceaux pour l`orgue expressif“, manualiter) sind im Gottesdienst gut verwendbar als Vorspiele sowie als meditative Stücke, während die anderen fünf („Drei Stücke“ op. 57 und zwei Einzelstücke) höhere konzertante Ansprüche stellen. Eine schöne Musik, die so recht zum Spielen wie Zuhören einlädt.
Rainer Goede
Februar / April 2021
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